Grundsätzliche Informationen zu Entschädigungen


Die Geschehnisse in den Kurheimen werden (noch) nicht entschädigt. Viele von uns haben aber zu all den Demütigungen, Gewalttätigkeiten und Essenszwang oder -entzug auch sexuelle Gewalt erfahren. Für diese Betroffenen gibt es Möglichkeiten.

Kein Geld der Welt kann eine traumatische Erfahrung entschädigen. Wer mit einem solchen Gedanken einen Antrag stellt, wird immer enttäuscht sein. Manche Betroffene wollen aus diesem Grund erst gar keinen Antrag stellen. Man kann das auch anders sehen und für sich überlegen, wofür man die (erkämpfte/erhaltene) Entschädigungssumme sinnvoll einsetzen könnte: Was würde meine Lebensqualität/Lebensfreude verbessern? Was davon könnte ich mir mit dem Geld leisten? Was bringt Freude in mein jetziges Leben? Für den ein oder anderen wird die Entschädigungszahlung auch die Existenznot schmälern.

Wenn man sich über Entschädigungen informiert, bekommt man immer wieder dieselben Sachen zu hören:
  • Zermürbend und nervenaufreibend
  • Zeitintensiv
  • Geringe Erfolgsaussichten
  • Es wird einem sowieso nur unterstellt, es sei nichts passiert oder das Ganze sei nicht so schlimm gewesen
Das ist nicht gerade ermutigend, allerdings treffen die genannten Punkte tatsächlich nur auf den Antrag nach dem Opferentschädigungsgesetz bis 2023 zu. Hier einen Antrag zu stellen, war tatsächlich nur erfolgreich, wenn man handfeste Belege hatte. Und selbst dann war das Verfahren sehr belastend, weil der Umgang im Antragsverfahren äußerst grenzwertig war. Dies soll sich aber seit Januar 2024 geändert haben, denn das Opferentschädigungsgesetz wurde reformiert. Es bleibt abzuwarten, wie es sich tatsächlich entwickelt, bisher gibt es noch keine Erfahrungsberichte.

Einen Antrag auf Entschädigung zu stellen ist zwangsläufig mit der Auseinandersetzung des Geschehenen verbunden. Je nach Art des Antrags mehr oder weniger. Es kann sehr belastend sein, wenn man sich mit dem Geschehenen wieder auseinandersetzen muss und man sollte es in einer Phase machen, in der man sich emotional und psychisch sehr stabil fühlt, denn man wird es nach dem Antrag vielleicht nicht mehr sein.


Die Möglichkeiten


Entschädigung über den "Fonds sexueller Missbrauch" der Bundesregierung

Antrag: Online ausdrucken
Webseite: www.fonds-missbrauch.de
Höhe: 10.000€, bei nachgewiesener Behinderung 15.000€ (gesonderte Begründung nötig).
Vorteile: Ein Antrag beim Fonds sexueller Missbrauch der Bundesregierung Deutschland  kann man auch stellen, wenn man psychisch nicht stabil ist. Der Antrag ist so gestaltet, dass man ihn wirklich leicht ausfüllen kann, man muss keine Angaben zum Tathergang machen und auch keine Beweise haben. Es wird lediglich erfragt, aus welchem Umfeld der Täter kam, und von wann bis wann die sexuelle Gewalt stattfand. Zudem muss man bei der Tat minderjährig gewesen sein. Den Fragebogen kann man sich auf der Seite des Fonds ansehen, und den Antrag auch von jemand anderen ausfüllen lassen. Man muss ihn dann lediglich unterschreiben.
Die Zahlung geschieht anonymisiert und kommt von einem Konto der Bundesregierung, somit ist nicht erkennbar, dass es sich um eine Entschädigung handelt.
Nachteile: Es handelt sich um eine Sachleistung. Allerdings kann das alles sein, was hilft die Folgen des Traumas zu lindern. Von therapeutischen Sitzungen (auch bei Heilpraktikern!) über Massagen bis hin zur Weltreise ist alles möglich. Man muss nur begründen, inwiefern die Leistung das erlittene Trauma schmälert.
Es ist zu empfehlen, etwas zu beantragen, das diesen Rahmen mit einer einzigen Rechnung ausschöpft, denn während die Antragstellung erfrischend flott und ungewohnt unbürokratisch ist, ist die Abwicklung recht zäh und langwierig. Auch die Hotline ist so gut wie gar nicht erreichbar, auf eine Antwort über das empfohlene Kontaktformular wartet man Wochen.
Außerdem sollte man die Möglichkeit der Vorauszahlung (Formular auf der Seite) frühzeitig nutzen, weil die Erstattung der Rechnung, sowie auch eine Vorauszahlung etwa sechs Wochen in Anspruch nimmt.

Den Antrag sollte man unbedingt über eine auf der Internetseite angegebenen Beratungsstellen machen. Dadurch wird der Antrag wesentlich schneller bearbeitet (Stempel bewirken ja oft Wunder) und für die Beratungsstellen, die dafür vom Fonds bezahlt werden – in der Regel Frauennotrufe, Wildwasser o.ä. – dürfte es eine willkommene Einnahme sein.
Die Bearbeitungszeit des Antrags hängt von der aktuellen Anzahl der Antragseingänge ab, geschieht aber zeitnah. Die Beratungsstellen sind über die aktuellen Zeiten informiert, in der Regel sind das sechs bis acht Wochen.


Entschädigung der Kirche


Antrag: Über einen Ansprechpartner des Bistums, in dem die sexuelle Gewalt stattgefunden hat.
Höhe: 0-50.000€
Vorteile: Geldleistung
Nachteile: Antragstellung ist sehr belastend, da die Tat erzählt werden muss. Es dauert etliche Monate bis der Antrag entschieden wird.

Hinweis: Man kann beide Anträge unabhängig voneinander stellen.

Siehe auch: Erfahrungsbericht